KZ Dachau, München, 04./08.10.2014
Kurz vor 9 Uhr fahren wir auf den Parkplatz der Gedenkstätte. Ich will die frühe Stunde nutzen, um möglichst ohne andere zu stören, meine Aufnahmen im Krematorium machen zu können. Ich erschrecke, als ich fünf große Busse auf dem Parkplatz sehe. Auf dem Gelände selbst angekommen, eilen wir in die hintere linke Ecke zum Krematorium. Dort sind wir noch lange alleine.
Über dem Gelände liegt Nebel. Der soll sich bis mittags auflösen. Für die Fotos im Krematorium ist das egal. Und sonst? Das ist dem Betrachter überlassen, ob er diesen Unort im Nebel oder quasi unschuldig im Sonnenschein betrachten will.
Die Aufnahmen im Krematorium sind ein harter Einstieg. Die Öfen sind durch starke Ketten von den Besuchern abgetrennt. Um Fotos ohne Ketten machen zu können, muss ich mich wieder einmal flach auf den Boden legen.
So liegend bin ich einen kurzen Augenblick nicht auf die Standort- und Perspektivwahl konzentriert. Kurz schweifen die Gedanken auf meine offen gelebte Homosexualität und was wäre, wenn ich 70 Jahre früher gelebt hätte? Die Konzentration auf den Grund meines Hierseins zieht mich aus dem Stimmungstief.
Die Kirche mit ihrer schlichten Betonarchitektur gefällt mir auch beim zweiten Besuch immer noch sehr gut. Weiter zum Altar und zur Friedenglocke und zum jüdischen Gedenkmal, wo man quasi in der Erde verschlungen wird. Jetzt ist schon mehr los, so dass ich mehr Rücksicht bei meinen Aufnahmen nehmen muss.
Zurück über die Barackenfelder zum Appellplatz. Heute ist es hier ruhig. Aber früher wuselten hier zehntausende Menschen, Gefangene und Wächter, auf engstem Raum herum.
Die Ausstellung gibt dann für Aufnahmen weniger her. Ganz eindrucksvoll ist eine Bronze mit marschierenden Menschen. Auf dem Boden (also einen Meter tiefer) stelle ich der marschierenden Truppe „Die Betende“ entgegen, während „Der Gebeugte“ dem Trupp mühsam folgt. Das ganze auch mal aus anderer Perspektive betrachtet.
Der Bunker in Dachau ist so bedrückend wie der in Ravensbrück. Mehr kann und muss man dazu einfach nicht sagen. Und das man, wenn man den Bunker und das, was die Herren sich so einfallen ließen, sieht, noch schwerer verstehen kann, aber umso mehr bewundert, wie Niemeyer mit seinem Schicksal umgegangen ist.
Am Ende bin ich froh, dass heute keine Sonne mehr herausgekommen ist. Das Wetter passt zum Unort.
Ich hatte nur eine dünne Jacke an. Nach einem Vormittag auf dem Gelände, bin ich durchgefroren - so wie die Gefangenen damals.
Ich brauche später sehr lange, um mich wieder aufzuwärmen - meinen Körper und meine Gedanken.
Dennoch fahren wir wenige Tage später mit der Aussicht auf eine herauskommende Sonne noch einmal nach Dachau raus. Es lohnt sich.
Ich mache ein paar Aufnahmen bei gutem Wetter. Der Unort wirkt unschuldig und ist es auch. Es waren die Menschen, die ihn missbraucht und ihm und allen, die hier eingepfercht waren, Gewalt angetan haben.